Wieso verrichten Muslime den Hadsch?

Das Umrunden der Kaaba gegen den Uhrzeigersinn ist wie die Bewegung von allem, was sich in diesem Universum befindet. Vom Kleinsten zum Größten zeigt sie die Bewegung des Universums.

Denn vom Atom bis zur Galaxie dreht sich das Universum in dieser Richtung, und die Drehbewegung ist ein kosmisches Phänomen, das alles umfasst. Das Elektron dreht sich um den Atomkern, die Monde um ihre Planeten und die Planeten um ihre Sonnen. Die Sterne kreisen um ihre Galaxien. Energie fließt in ihren Bahnen, alles dreht sich in eine Richtung.

Die Pilger umrunden die Kaaba, ein Abbild der Essenz des Universums, das Allah erschaffen hat.

Wo der Rhythmus des Lebens schneller wird, wo man dem Geld, den Devisen und den körperlichen Bedürfnissen nachjagt, da beginnt die Seele zu verhungern und der Mensch vergisst sein Menschsein. Aber die permanente Befriedigung der Bedürfnisse lässt keine Luft zum Atmen. Das Herz ist zu einem Muskel geworden, der Blut pumpt, aber was ist mit den Gefühlen, mit der Spiritualität?

Das Geld erdrückt alles, und egal wie oft man hört: „Du brauchst Urlaub“, man kann einfach nicht aufhören. Du wirst ein Workaholic, ein Rädchen in der großen Lebensmaschine. Aber du musst dich an deine andere Hälfte erinnern, an deine eigene Seele.

Der Mensch soll die Welt vergessen und sich an seinen Schöpfer erinnern. Er muss die Ursachen vergessen und sich an den Verursacher erinnern. Auf diese Weise gewinnt er seine Menschlichkeit zurück, zu der ihn Gott geschaffen hat. Er erinnert sich an seinen großen Kampf gegen Satan. Er befreit sich aus der Gefangenschaft der Materie und der Besessenheit von Berechnungen, Banken und Steuern.

Er muss wieder Mensch werden, wie Gott ihn geschaffen hat, ohne Schnörkel, Narben und Entstellungen, die das Leben in jedem von uns hinterlassen hat.

Der Hadsch ist eine Abfolge von symbolträchtigen Riten, die von den Muslimen als Erfüllung des Gebotes Gottes vollzogen wird. Während dieser Zeit versammeln sich Muslime aus aller Welt in Mekka. Afrikaner treffen auf Asiaten, Amerikaner auf Russen, Araber auf Inder, Weiße auf Schwarze. Millionen von Zungen rufen ein und dasselbe Wort: „Zu Deinen Diensten, o Allah, zu Deinen Diensten!“

Es ist die Einheit aller Menschen unter der Fahne Gottes, des Einen, fernab vom Trubel der Gier, des Ehrgeizes und der Machtkämpfe. Die Kleidung der Muslime an diesem Tag ist der aufrichtigste Ausdruck des Verzichts auf die Ablenkungen der Welt.

In der Hingabe an Gott allein trägt der Mensch ein reines weißes Tuch, wie er es bei seiner Geburt trug.

Dieser Stoff führt uns zur Bescheidenheit und führt uns weg von der Prahlerei und der Arroganz der Mode.

Wer sich zu Allah bekennt, muss alles ablegen, was Prahlerei, Arroganz und Prunk bedeutet. Das wirklich Erstaunliche ist, dass das weiße Tuch genau die Art von Bedeckung ist, die von jedem, der die Botschaft der Enthaltsamkeit und des Verzichts auf weltliche Vergnügungen verkünden will, definiert und getragen wird – auch von Nichtmuslimen.

In dieser erhabenen Erscheinung sind alle Muslime vereint. Du wirst nicht in der Lage sein, zwischen Herrschern und Beherrschten, Reichen und Armen, zu unterscheiden.

Das ist der Augenblick der Begegnung mit Gott. In ihm sind wir alle gleich wie die Zähne eines Kammes.

Die Pilgerfahrt ist alles andere als ein heidnisches Ritual. Der Muslim versteht die eigentliche Bedeutung des Hadsch: Leblose Steine bringen weder Schaden noch Nutzen. Der Islam lehnt den Götzendienst ab, und der Pilger wiederholt dies: „Zu Deinen Diensten, o Allah, zu Deinen Diensten!“, und nicht: „Zu Deinem Dienst, o Kaaba, zu Deinem Dienst“. Nicht der Stein oder die Kaaba, sondern Gott ist sein Ziel und seine Richtung.

Danach wird der Tawaf um die Kaaba verrichtet. Die Steinblöcke (Dschamarat), die den Satan symbolisieren, werden gesteinigt.

Es folgt der Lauf zwischen den Hügeln Safa und Marwa und ein Aufenthalt auf dem Berg der Barmherzigkeit: Arafat. All dies sind materielle Symbole tiefer geistiger Erleuchtung, wie der Kampf gegen Satan, das Streben nach Gottes Wohlgefallen, Einheit und Gleichheit unter den Menschen. Es genügt nicht, dass ein Mensch nur mit dem Herzen glaubt.

Das Herz muss im Einklang mit den Gefühlen, der Zunge und den Taten der Glieder sein, um die völlige Unterwerfung unter Gott zum Ausdruck zu bringen. Es ist die größte jährliche Versammlung derer, die sich zu Allah bekennen.

Hier sind alle Muslime gleich, unabhängig davon, welches Auto sie fahren oder welchen Beruf sie ausüben. Ihre Herzen werden gereinigt und ihre Seelen geläutert.

Wenn du also den Hadsch richtig ausführst, werden die Worte des Propheten Muhammad – Friede sei mit ihm – auf dich zutreffen, als er sagte:

„Wer den Hadsch zum Wohlgefallen Allahs verrichtet und keine sexuellen Handlungen vornimmt und nichts Sündhaftes tut, der wird wie neugeboren zurückkehren.“